Interessanten Call for Papers gesichtet, Abstract mit passendem Themenvorschlag eingereicht, Beitrag angenommen – so gelangt man klassischerweise an eine Einladung für einen wissenschaftlichen Vortrag. Aber wie verlaufen die Konferenzen dann eigentlich genau? Welche Impulse bekommt man aus den verschiedenen Vorstellungen für die eigene Arbeit? Und was macht man in den Kaffeepausen? Unsere Doktorandin Mirja Riggert berichtet von ihren ersten Erfahrungen aus der wissenschaftlichen Vernetzungsszene.
#networkingtimes
Diesen Sommer standen für mich zwei Konferenzen auf der Promotionsagenda. Die erste führte nach London ans Centre for Interdisciplinary Research und drehte sich rund um „Gender and Mobility“. Die Veranstaltung bot Anknüpfungspunkte zu meinem Promotionsthema, sodass ich einen Beitrag über weibliche Erzählstimmen in der Reiseliteratur einreichte. Mein Vortrag widmete sich den Texten dreier Reiseautorinnen, die über wechselseitige Motive von Angst und Freiheit eine weibliche Erzählposition in einem männlich dominierten Genre etablieren. Über die Ästhetisierung von sowohl Angst als auch Freiheit als reisender Frau re-kodieren die Erzählerinnen die genretypischen Männlichkeitstopoi von Heldentum und Abenteuer und legen dabei neue Werte für Reiseerzählungen an. Neben ähnlichen literaturwissenschaftlichen Betrachtungen von genderspezifischem Schreiben gab es auf der interdisziplinären Konferenz eine Vielzahl an vorgestellten Untersuchungsfeldern: Zum Beispiel ging es um orthodoxe Jüdinnen und ihre soziokulturellen Probleme beim Einzug in das israelische Universitätssystem oder um linguistischen Sexismus in iranischen Englischbüchern. Die Vorträge speisten sich damit alle aus geistes- und sozialwissenschaftlichen Analysen, was in den abschließenden Diskussionsrunden viel Anstoß zu fächerübergreifenden Fragen bot. Diese Gespräche konnten sich kaum in der kurzen Zeit abhandeln, sodass ich in den meisten Pausen mit Kaffeetasse in der einen und Stift in der anderen Hand weiter hörte, redete und mitschrieb. So regte das unterschiedliche Analysematerial Austausch über die verschiedenen methodologischen Zugänge der einzelnen Fächer und über die Aussagekraft einzelner Erhebungen an. Mit einem Postdoc kam ich zum Beispiel ins Gespräch über linguistische Befragungen und die Herausforderung, Suggestivfragen zu vermeiden. Besonders interessant war für mich die gemeinsame Reflexion mit einer anderen Doktorandin über den Modus des autobiografischen Erzählens und seine Bedeutung für Traumata- und Verlust-Narrative, oder eben – wie in meinem Fall – Narrative der Gefahr und Angst. Das autobiografisch strukturierte Erzählen scheint des Öfteren eingesetzt zu werden, um ein eigenes Erlebnis zu authentisieren und damit ernst genommen zu werden.
Die zweite Konferenz war dann etwas fachspezifischer: Für den 8. Europäischen Komparatistik-Kongress ging es für mich kurz darauf nach Lille, wo ich einen Vortrag zu weiblichen Identitätskonstruktionen in Reiseblogs halten sollte. Als Teil einer vierstündigen Themeneinheit zu Travel Writing konnte ich mich hier sehr gut über ähnliche Fragestellungen, Probleme und Aufschlüsse austauschen. Das Leitthema sollte dabei für alle Vorträge die Konstruktion von individueller und kollektiver Identität in Berichten über den Kulturtransfer darstellen. Erhellend waren hierbei die verschiedenen Ausprägungen dieser Konstruktionen: Neben der Herstellung kollektiver weiblicher Identität über Gesten des Empfangens und Weitergebens feminisierter Attribute, wie ich es in meinem Paper vorstellte, ging es um das Kreieren eines nationalen Bewusstseins über die Erfahrung in der Fremde, um religiöse Zugehörigkeiten und koloniale Subjektivitäten in den Reiseberichten. Am Tag zuvor konnte ich im Panel zu postdigitaler Komparatistik viel zu den Wechselwirkungen von neu-medialen Produktionsformen von Literatur und literaturwissenschaftlicher Rezeption und Analyse hören. Beim abschließenden Konferenzdinner saß ich glücklicherweise genau mit jenen an einem Tisch, die zu diesen beiden – für mich relevanten – Themenblöcken referiert hatten, sodass es bei Bordeaux und Crème brûlée zu einem sehr fruchtbaren Austausch kam. Bei der Rückreise im TGV blieb mir noch lange die multilinguale (die meisten Teilnehmenden sprachen mindestens drei Sprachen fließend) Polyphonie aus Vorträgen, Diskussionsrunden und anschließendem Geplauder im Ohr.